Le Chemin de la moindre Résistance

Ich finde gut, das wenigstens einer was macht.



Die ersten 18 Kilometer liegen hinter mir. Die Schultern schmerzen, aber der Stolz über die Leistung ist groß. Wenn nur der Rücken nicht so krumm wäre, aber die Freude über den sonnigen Tag gleicht dies aus. Wenn die Füße nur nicht so weh täten, aber die schönen Begegnungen mit zwei gut gelaunten älteren Damen im Tierheim sorgen für ein Schmunzeln in meinem Gesicht. Wenn sich nur die linke Hüfte nicht immer mit einen stechenden Schmerz in den Vordergrund spielen würde, aber die Begegnung am Bahnhof in Kall überlagert die Körperlichen Malaisen:

Er: Ich bin Ihnen schon vom Bahnhof aus nachgelaufen, was machen Sie hier mit dem Schild? (Nimmt dazu einen Schluck aus seiner Dose Bier.)

Ich: Wir haben schon Dienstschluss, das Schild ist schon auseinander gebaut. Tut mir leid, ich kann nicht mehr. Wir sind heute in Euskirchen los gelaufen und sind ziemlich kaputt. Das Schild auf der Schulter die ganze Strecke zu Fuß. Sie wissen schon.

Er: Wollen Sie auch ein Bier? (Nimmt dazu wieder einen Schluck aus seiner Dose.)

Ich: Das ist sehr freundlich. Danke, aber ich will nur noch ne heiße Dusche und mich hinlegen.

Er: Klar, das verstehe ich, aber ich will Ihnen ja nur ein Bier ausgeben. Sie müssen sich nicht mit mir unterhalten. (Kramt in seiner Plastiktüte und holt ein Hansa Pils Export hervor.) Hier.

Ich: Danke, das kann ich tatsächlich ganz gut gebrauchen.

Er: Wissen Sie. Es geht so auf keinen Fall so weiter. Ich weiß auch nicht, wie und ich kann bestimmt nichts dazu beitragen. Aber es muss sich alles ändern. Alles. Prost.

Ich: Kehren Sie vor der eigenen Haustür?

Er: Ja, heute morgen erst. Wieso? Prost erstmal.

Ich: Naja, das ist wohl der Schlüssel.

Er: Ich würde mir gern eine Putzfrau leisten, aber mein Geld reicht dafür nicht. Das ist schade.

Ich: Und selber den Besen in die Hand nehmen, wär das nichts?

Er: Aber das ändert doch nichts, wird auch nicht so sauber.

Ich: Wieso nicht? Damit fängt alles an. Wenn Sie das dann irgendwann gut hinbekommen, kommen schon die nächsten Aufgaben. Irgendwann brauchen Sie die Bierdosen nicht mehr, weil die Verantwortung für sich selbst wieder zurückkommt und Bruder Alkohol abgelöst.

Er: Prost. Ich finde gut, das wenigsten einer was macht. Gehen Sie morgen weiter?

Ich: Ja, über die Ardennen durch Belgien bis nach Frankreich.

Er: Bis nach Frankreich? Alles zu Fuß? Na dann, Prost.

Ich: Kommen Sie doch mit, dann sind wir schon zu zweit.

Er: Ich muss mich noch um die Bierdosen kümmern. Ich finde es echt gut, das wenigstens einer was macht.