Le Chemin de la moindre Résistance

Tag 13: Heute nur Flasche


07:32 Uhr
Ich werde wach mit dem Gedanken, tatsächlich heute die letzte Etappe von 22 Kilometern von Les Hautes-Rivières bis kurz vor Charleville-Mezières zu laufen. Frauke ist beim Frühstück derselben Meinung, Astrid bleibt in der Herberge und „hat zu tun“. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, wie richtig Astrid’s Entscheidung sein sollte, heute nicht mit zu laufen. Was uns heute an zu bewältigenden Höhenmetern erwartet, sollte alles andere noch mal in den Schatten des Schildes stellen. Der zweite Gedanke des Tages geht an Frauke, die mich jetzt schon beinah zwei Wochen unermüdlich begleitet und diese fotografische Dokumentation ehrenamtlich ermöglicht. Vielleicht wird es irgendwann ein weiteres Buch geben über den zweiten Teil des „Weg des geringsten Widerstandes“, ähnlich dem ersten, das bald erscheinen wird. Aber das liegt noch in der ferneren Zukunft und wird nicht heute morgen am Frühstückstisch entschieden. Dennoch wäre es schön, Frauke für ihr großes Engagement etwas zurück zu geben. Nicht zuletzt hat mich meine Mutter darauf aufmerksam gemacht, was für eine Leistung Frauke Schumann hier vollbringt. Dafür darf ich mich bei Ihr bedanken. Auch bei Astrid, Christiane, LaMara, Dirk und Hartmut, die einige Etappen mit ihrer Gesellschaft bereichert haben. Ich lande schon bei der Danksagung für dieses schöne Ereignis, das ist noch gar nicht zu Ende ist, denn das Schlimmste sollte erst noch kommen. Also zurück zum Tagesprogramm: Marschieren über Stock und Stein durch Berg und Tal zu Mann und Maus von Belgien nach Frankreich. tas congue. Vitae ultricies leo integer malesuada nunc. Nibh praesent tristique magna sit amet purus gravida. Diam volutpat commodo sed egestas. Gravida dictum fusce ut placerat orci nulla pellentesque. Ornare massa eget egestas purus viverra. Morbi enim nunc faucibus a pellentesque sit amet porttitor. Mattis pellentesque id nibh tortor id aliquet lectus proin nibh. Molestie nunc non blandit massa enim nec dui. Felis imperdiet proin fermentum leo vel orci porta. Natoque penatibus et magnis dis parturient montes nascetur ridiculus mus.Gravida dictum fusce ut placerat orci nulla pellentesque. Ornare massa eget egestas purus viverra. Morbi enim nunc faucibus a pellentesque sit amet porttitor. Mattis pellentesque id nibh tortor id aliquet lectus proin nibh. Molestie nunc non blandit massa enim nec dui. Felis imperdiet proin fermentum leo vel orci porta. Natoque penatibus et magnis dis parturient montes nascetur ridiculus mus.
11:18 Uhr
Wir verzetteln uns in Schlingpflanzen und Unwegsamkeiten. Das GPS spielt verrückt, merkwürdig, ausgerechnet zum Ende der Reise auf der letzten großen Etappe verlieren wir manchmal die Orientierung und unsere technischen Hilfsmittel versagen. Zudem werden die Wege unkenntlich. Manchmal führen die Wege ins Nichts oder enden im Wald oder im Brombeerdickicht, aus dem wir dann nur mühsam wieder heraus finden. Wir sind bisher mit der Wahl der Wanderwege, die ziemlich direkt nach Charleville-Mezières führen „ganz gut gefahren“, die Landstraßen, die wir auch hätten entlang laufen können, hätten moderatere Steigungen, sind aber die weitaus längeren Strecken. Als wir einen steil vor uns aufragenden Berghang erreichen, den wir laut Karte, auf die wir inzwischen umgestiegen sind, zu besteigen haben, streike ich zum ersten Mal. „Das sind doch keine Wege hier!“, platzt das Unbehagen aus mir heraus. Frauke ergänzt: „Das gibt’s doch nicht. Es ist doch jedesmal dasselbe bei Deinen Projekten. Am Ende spiegelt der letzte Tag doch das gesamte Projekt wieder. Das Schlimmste kommt immer zum Schluss!“ Etwas verlegen stammele ich etwas von Göttern, in deren Händen das liege. Ich sei ja nur genauso ein umher wandernder Wurm auf der Welt, wie äh, … sie. Das etwas verunglückte Bild sollte den Verlauf des Gesprächs auch nicht gerade verbessern, genau wie die Wanderung. „Das sind doch nur Wasserrinnen, keine Wanderwege!“, mache ich meinem Ärger erneut Luft. Wir schleppen uns, das Schild und die Kamera die Berg hinauf und fluchen abwechselnd zweifelnd über Sinn und Unsinn unseres Projektes. Ich stelle Frauke auf Lebenszeit eine freie Projektbeteiligung in Aussicht, Frauke lehnt nicht nur dankend ab, sondern stellt auch noch fest, das die Steigung heute die steilste auf den bisher zurück gelegten 280 Kilometern ist. „Ab 20 Grad Wettertemperatur oder Steigung wird ein Honorar fällig. Bei 20 Grad Wettertemperatur und 20 Grad Steigung, also bei 40 Grad natürlich das Doppelte“, witzelt Frauke so vor sich hin. Plötzlich sind wir oben, Frauke verlangt das Honorar, ich bin schnell über alle Berge. So geht’s vorwärts:)
13:48 Uhr
Wir erreichen das Dorf Neufmanil und suchen vergeblich nach einem Bäcker, einem Café oder einer Kneipe, um uns zu erfrischen. Als wir um kurz nach vierzehn Uhr doch vor einer Boulangerie landen, wird die Tür vor unserer Nase zugesperrt: Mittagspause. Das ist hart nach zwei monströsen Steigungen und Abstiegen, die unsere Oberschenkel mit Pudding anfüllen, so ungefähr das Körpergefühl in dieser Region. Von anderen Körperstellen fange ich besser gar nicht erst an zu berichten. Sonst wird der Blog hier gesperrt. So verlegen wir uns aufs Auf-der-Bank-sitzen-und-die-Bauarbeiter-beim-Hausbauen-anstarren, die sich ihrerseits aufs Schild-und-Kamera-schlepper-beim-Rumlungern-in-ihrem-Dorf-anstarren verlegen. Ab und zu zeigt einer der fünf Männer in alarmfarbenen Overalls zu uns rüber. Wir zeigen zurück. Manchmal sagen Blicke mehr als tausend Worte. In diesem Fall sind es mindestens tausend Blicke, die auf das Schild einprasseln, das gut sichtbar im Mülleimer geparkt ist, was keine Wertung sein soll, sondern rein praktische Gründe hat. So können die Arbeiter das Schild gut lesen.
15:22 Uhr
Eine weitere Attacke der Schlingpflanzen ereignet sich. Manchmal können wir uns kaum auf den Beinen halten, die Schlingpflanzen wickeln sich um unsere Knöchel und lassen nicht los. Als hätten die Schlingpflanzen den Auftrag bekommen, uns am Erreichen unseres Zieles zu hindern, winden sie sich um unsere Knöchel und lassen einfach nicht los. Der Versuch einer ruckartigen Befreiung führt nur dazu, das man sich tatsächlich langmacht und sich in den Dornen verfängt. „Jetzt reicht’s!“, rufe ich laut. „Ich gehe keinen Schritt mehr weiter!“, höre ich mich in den unteren Stimmungslagen landen. „Du musst einfach alles annehmen, das sei das Geheimnis hinter den Widerständen, so gering sie auch sein mögen!“ , behauptet Frauke plötzlich erleuchtet. Ich fühle mich geblendet von soviel Erleuchtung und habe zum ersten Mal genug von Eurer Heiligkeit. So verlege ich mich auf: „Ich nehme an, Du möchtest noch zwei Wochen weiterlaufen. Ich hingegen wäre gern so langsam einfach am Ziel!“ Die von jetzt auf gleich dem Erleuchtungsschock erlegene Frauke behauptet: „Du, das ist für mich überhaupt kein Problem. Ich habe einfach jedes Problem unterwegs in Herausforderungen verwandelt und schon schwebe ich über die Berge der Ardennen“. Ich traue meinen Ohren nicht und schlage vor, das wir das Schild ja mal aufs Matterhorn schleppen können. „Kein Problem“, meint Frauke. Ohne Frauke hätte Ichs wohl nicht geschafft bis hierher, befriedet mich plötzlich der in mir aufkeimende Gedanke und löst wie von Geisterhand auf einmal alle Schlingpflanzen von meinen Knöcheln in Dankbarkeit und Wohlgefallen auf.
16:11 Uhr
Nachdem es abermals einen Berg zu überwinden gilt, mit dem wir gestern noch nicht gerechnet haben und der wohl heute erst für uns aufgetürmt wurde, sind wir auf der Suche nach einem Kaffee, als uns ein hellwacher junger Mann entgegenstrahlt. Er meint: „Das ist aber alles andere als normal, das jemand ein Straßenschild durch die Gegend bugsiert“. Ich behaupte, das sei das Normalste von der Welt, er überlegt eine Weile und gibt mir dann recht. Wir lachen eine Weile über die kurioseste Begegnung in seinem Dorf, an die er sich erinnern kann und in dem so etwas noch nie vorgekommen sei. Ich verabschiede mich mit den Worten, das die Zeit dafür dann jetzt gekommen sei. Er verspricht, ab jetzt auch mit einem Straßenschild durch die Gegend zu laufen. Ich gratuliere zu dieser weisen Entscheidung.
17:28 Uhr
Die allerletzte Steigung, die uns die allerletzten Kräfte raubt, beim allerletzten Abstieg sehen wir dann Charleville tatsächlich im Hintergrund, so dass ein lauter Erleichterungsseufzer über das Tal vor unseren Augen ergeht. Die letzten 2 Kilometer vor dem Erreichen unserer Herberge in Saint Laurent sprechen Frauke und ich dann nicht mehr über Inhalte, sondern über den tieferliegenden Sinn unserer Unternehmung. Sie bezeichnet die Verbindung zur Natur als prägnanteste und wichtigste Ebene der Wanderreise über drei Länder. Die zu beobachtende Veränderung des Waldes in diesen zwei Wochen, wo die gesamte Farbpalette der Herbstfarben von der Natur ausgebildet wurde, hätte sie sehr ergriffen und eine tiefe Verbindung zur Natur wieder hergestellt. So sei der Farn zu Beginn unserer Wanderung in der Eifel noch grün gewesen, sei dann im hohen Venn ins helle gelb verwandelt worden, um jetzt langsam ins dunkle Braun überzugehen. Ich schildere meine tiefe Verbundenheit zu meinem Schild, auf dem inzwischen viele Kratzer den einen oder anderen Buchstaben etwas unleserlich erscheinen lassen. Mit jedem Tag habe sich der Eindruck verstärkt, das sich mit jedem weiteren Kratzer auf meinem Schild die Verzerrungen, Manipulationen und unnatürlichen Haltungen, die ich im Laufe des Lebens akzeptiert und angenommen habe, wie der Text auf dem Schild weggekratzt wurden. So fühle ich mich mit jedem Kratzer unabhängiger von der Schwere und Belastung der zunehmend schwieriger werdenden Lebensbedingungen in Mitteleuropa und sehe die Hoffnung in der vollkommenen Auflösung der abhängigmachenden Strukturen. Also gehe ich solange weiter die Wege der geringsten Widerstände, bis alle Schriftzeichen weggekratzt sind, dann bin ich wohl frei. Dann scheinen Selbstermächtigung und -bestimmung wie Eigenverantwortung möglich. Wie sich das in den einzelnen Segmenten des gesellschaftlichen Lebens auswirke, will ich hier nicht ausführen. Da kann sich jeder einbringen und an der Entfaltung einer neuen freien Gesellschaft mitwirken, deshalb an dieser Stelle nur ein fetter Gedankenstrich -
19:42 Uhr
Mir fällt ein, morgen haben Frauke Schumann und Arthur Rimbaud Geburtstag, Euch beiden schon mal herzlichen Glückwunsch zu Eurem Ehrentag. Als wir den heutigen Tag mit einem großen Glas Wein abschließen wollen, bringt Frauke mit dem Kernsatz des Tages alle Anstrengungen, Mühen und das tägliche Darben der letzen zwei Wochen wie der letzten zweieinhalb Jahre auf den Punkt: „Heute nur Flasche!“